"Eindrücke der Weiterbildungsreise nach Finnland vom 17. bis 22.04.2023 unter dem Thema:
„Schule gemeinsam erleben und gestalten –
Multiprofessionelle Zusammenarbeit in Finnland und in Niedersachsen“

Die Reise fand im Rahmen des EU-Programmes "Erasmus+" statt und wurde vom Ludwig-Windhorst-Haus" in Lingen organisiert. Von unserer Schule fuhren Frau Stieve und Frau Zimmermann mit.

Folgenden Fragen wollten wir auf dieser Bildungsreise nachgehen:
• Was macht das finnische Schulsystem so besonders?
• Wie arbeiten dort die verschiedenen Berufsgruppen zur Unterstützung der Kinder zusammen?
• Was können wir für unsere Schule lernen?

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Hier einmal in Stichwortform, was wir erfahren haben:
• Das finnische Schulsystem zeichnet sich dadurch aus, dass es ganz bewusst eine Schule für alle Kinder sein will und niemand zurückgelassen werden soll.
• Das Ansehen der Bildung und speziell der Lehrkräfte ist deutlich höher als in Deutschland.
• Alle Kinder werden in den ersten 9 Schuljahren in ihrer Klasse zusammen beschult. Sie sind nicht altersgemischt, aber es gibt so gut wie keine besonderen Förderschulen.
• Inklusion wird als selbstverständliches Menschenrecht wahrgenommen.
• Es herrscht ein sehr lernförderliches Klima. Es gibt kein Sitzenbleiben und Noten müssen erst ab Klasse 7 gegeben werden.
• Es wird gefördert und gefordert. Der Fokus liegt auf dem individuellen Lernweg. Dazu passend sprechen die Finnen von „Lernplänen“ und nicht von „Lehrplänen“.
• Es gibt zwar eine Lernpflicht, aber keine Schulpflicht, d.h. beispielsweise für einen Auslandsaufenthalt der Familie benötigt man keine Genehmigung, aber die Kinder müssen in der Zeit den Unterrichtsstoff lernen.
• Von Klasse 1-6 gibt es eine feste Klassenlehrkraft, die viele Fächer unterrichtet. Ab Jahrgang 7 gibt es dann mehr Fachlehrkräfte.
• Die Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte und die Stundentafeln der Klassen sind ähnlich wie bei uns.
• Der Besuch des Kindergartens ist freiwillig und kostenpflichtig. Allerdings muss jedes Kind mit 6 Jahren in die Vorschule. Diese ist kostenfrei.
• Mit 7 Jahren werden die Schülerinnen und Schüler eingeschult. Das gesamte Bildungsmaterial, auch Hefte, Bücher, Stifte etc. erhalten sie kostenfrei.
• Es gibt keine verlässliche Betreuung in der Grundschule, d.h. die Kinder kommen erst zu ihrem Unterricht, wenn er beginnt und gehen danach nach Hause - auch wenn beide Eltern arbeiten. Kommt beispielsweise ein Kind erst um 10 Uhr oder geht bereits um halb 11, so ist es davor oder danach womöglich unbeaufsichtigt. Das sehen wir durchaus kritisch.
• Jedes Kind hat das gesetzlich festgelegte Recht auf ein warmes Mittagessen, und zwar gesund und allergenfrei.
• Alle Schulen wurden zentral digital gut ausgestattet. Zudem erhält jedes Kind ab Klasse 3 ein iPad und ab Klasse 7 einen Laptop.

• Auch die Lehrerausbildung in Finnland unterscheidet sich von der in Deutschland.

• Der Beruf ist gesellschaftlich sehr anerkannt und zudem sehr begehrt. Die Bezahlung ist ungefähr wie in Deutschland. Es gibt jedes Jahr so viele Bewerber/innen auf den Klassenlehrerzweig, dass nur 10% der Bewerber/innen angenommen werden können.
• Die Ausbildung ist enger als bei uns zwischen Uni und Schule verzahnt und es gibt spezielle Ausbildungsschulen, die jeweils die Praktikant/innen aufnehmen. Auch hier herrscht kein Notendruck, sondern die Student/innen werden individuell beraten und unterstützt.
• Generell werden zwei verschiedenen Ausbildungsgänge angeboten:
Die Klassenlehrkräfte werden für den Unterricht in den Jahrgängen 1 bis 6 ausgebildet und sind fachlich breit aufgestellt.
Die Fachlehrkräfte werden für den Unterricht in den Jahrgängen 7 bis 9 ausgebildet und spezialisieren sich auf einzelne Fächer.

 

Wir haben in der Woche sehr viele interessante Eindrücke gewinnen können. Gemeinsam mit unserer Reisegruppe haben wir drei Schulen in Turku in verschiedenen Stadtteilen und mit verschieden ausgeprägten Profilen besucht und uns mehrere Vorträge angehört. Zudem konnten wir uns vor Ort mit den Kolleginnen und Kollegen austauschen. Wir haben fröhliche und selbstbewusste junge Menschen getroffen. Beeindruckend waren die Scouts aus der vierten Klasse, die uns in deutscher Sprache durch ihre Schule geführt haben. Da machte sich die gute und früh einsetzende sprachliche Bildung bemerkbar, die wohl auch mit zu den überdurchschnittlichen Ergebnissen beim Lesen und Schreiben beiträgt.
Generell gibt es zwei Amtssprachen: Finnisch und Schwedisch und beide werden in den Schulen unterrichtet. Englisch kommt schon ab Klasse 1 dazu, bei uns ab Klasse 3.
Die kulturelle Vielfalt wird als Bereicherung der finnischen Gesellschaft wahrgenommen. So erhalten Kinder mit Migrationshintergrund zwei Stunden wöchentlich zusätzlich in ihrer Herkunftssprache. Insgesamt hatten wir erwartet, dass es deutlich mehr größere Unterschiede gibt. Doch die Klassen sind nicht durchweg kleiner, es gibt auch nicht deutlich mehr pädagogisches Personal und auch die Unterrichtsmethoden kennen wir gut aus unseren Schulen. Unser Eindruck nach ein paar Tagen war eher: „Aha, die Finnen kochen auch nur mit Wasser“ und auf manches bei uns können wir selbst stolz sein, beispielsweise die Betreuung in der Grundschule.

Aber wir haben viele interessante Eindrücke gewonnen und entdeckten mehr kleinere Unterschiede, wie z.B. das stärkere Hinschauen bei Schwierigkeiten, die vielfältige Förderung auf verschiedenen Ebenen, ein anders ansetzendes landesweites Antimobbing-Programm, verschiedene Lern- und Arbeitsräume und –möglichkeiten, Lehrerzimmer mit Arbeitsplätzen und Lounge-Bereichen etc..
Besonders erwähnt sei aber vor allem die durchweg sehr positive Haltung den Schüler/innen und Schülern gegenüber. Eigentlich generell zwischen den Menschen. Jede/r wird als Bereicherung gesehen und der Fokus liegt stark auf dem individuellen Lernweg eines jeden Kindes und wie dieser unterstützt werden kann. In vielen Bereichen wird immer wieder hingeschaut und Maßnahmen überlegt, wie sich die Kinder und auch die Lehrpersonen und die Eltern in und mit Schule wohlfühlen können.
Unter dem Motto „earliest possible support“ (früheste mögliche Unterstützung) werden die Familien schon mit Beginn der Schwangerschaft durch staatliche Hilfen und Beratung unterstützt und die Kinder früh gefördert. Das setzt sich dann in der Schule fort.
Möglicherweise ist das einer der Bausteine zum Erlangen der guten internationalen Ergebnisse. Die freundliche und zugewandte Haltung trägt sicher auch dazu bei. So werden auch in allen Bereichen des öffentlichen Lebens eher Empfehlungen ausgesprochen als Verbote oder Vorschriften gemacht. Beispielsweise gibt es keine Masernimpfpflicht, sondern sie wird angeraten. Die Impfquote ist trotzdem sehr hoch.

Auf die Kernfrage nach der multiprofessionellen Zusammenarbeit bekamen wir keine Antworten. Auch die Finnen sind auch auf dem Weg nach einer praktikablen Lösung für ihre Schule.

Wir sind mit dem Eindruck zurückgekommen, dass wir Vieles schon ganz gut machen und wir haben erlebt, dass ein gutes Klima in der Schule, im Kollegium und in den Klassen sehr wichtig ist. Das ist ja nichts Neues! Aber es lohnt sich doch noch stärker darauf zu achten und zwar auf allen Ebenen. Zu schauen, was jede/r Einzelne braucht, um sich gut zu integrieren, zu lernen und zu arbeiten. Zum einen also auf Augenhöhe zu sprechen und wenig Leistungsdruck aufzubauen und zum anderen aber auch klar einzufordern, dass jede/r sein Bestes gibt. Sowohl das Kind, als auch die Eltern und selbstverständlich auch wir im Kollegium. Das hat uns beeindruckt und das tragen wir, neben allerlei kleineren Ideen, mit in unsere Schule."